2019 / 2020
Spätestens seit dem Beginn der Corona-Pandemie sind Verschwörungserzählungen und die sie umgebenden Strukturen wieder in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt. Von Prominenten bis zu Familienmitgliedern werden teilweise unglaubliche Mythen über „die da oben“ oder ganze gesellschaftliche Gruppen verbreitet. Die BRD ist eine Firma. Trump ist der Messias. Bill Gates will der Weltbevölkerung Chips implantieren. Das Corona-Virus wurde im chinesischen Labor erfunden. Die Erde ist wahlweise flach oder hohl und, ach ja: Elvis lebt.
Doch wie soll mit Verschwörungsideologien umgegangen werden? Auslachen? Ausgrenzen? Aufklären? Ebenso stellt sich die Frage, wie eine notwendige Kritik an realen, gesellschaftlichen Missständen geübt werden kann, ohne von fragwürdigen Ideologien vereinnahmt zu werden oder diese zu reproduzieren.
Das Theaterkollektiv entwirft in dieser Produktion einen multi-medialen Videokosmos, der in verschiede Live-Formate eingebunden wird. Gerade durch dieses Zusammenspiel von Liveness und digitaler Reproduzierbarkeit wird ein besonderer Fokus auf die Art und Weise geworfen, wie Individuen unterschiedlich mit einem Überangebot an Informationen umgehen.
Im Laufe des Projekts entstanden drei verschiedene Veranstaltungs-Formate: die digitale Performance „Zwischenstand: WAHRHEIT“, die interaktive Performance-Reise „Betriebsausflug: WAHRHEIT“ und die „Ausstellung: WAHRHEIT“.
Südpunkt / Heizhaus Nürnberg
Für diese Performance entwirft das Kollektiv schmarrnintelligenz, die ein eigenes alter ego: eine Theatergruppe, die sich mit dem Thema Verschwörungserzählungen beschäftigt. In Zwischenstand: WAHRHEIT lädt diese Theatergruppe nun das Publikum ein, einen ersten Einblick in ihre künstlerische Recherche zu bekommen. Allerdings müssen die Zuschauenden schnell feststellen, dass die meisten Gruppenmitglieder erstaunlich anfällig für die Theorien sind, mit denen sie sich beschäftigen.
So treffen die Zuschauer*innen auf den politisch frustrierten QAnon-Anhänger, eine verklärte oder profitorientierte Eso-terikerin, sowie einen etwas zu sehr nach rechts lehnenden „Volkslehrer“. Das vierte Gruppenmitglied, das noch so etwas wie einen demokratischen Ansatz verfolgt, kommt gegen diese spannungsreiche Kombination nicht an.
Neustadt a.d. Pegnitz
Für die zweite Veranstaltung begibt sich das Kollektiv in die Rolle der Verschwörer*innen, genauer der angeblichen BRD GmbH. Nach jahrelangem Missmanagement hat sich die Firma entschlossen, sich aufzulösen. Bei einem ersten und letzten Betriebsausflug wird das Publikum buchstäblich mit auf eine Reise genommen – raus aufs Land, wie in die Historie der GmbH. Schon während der Busfahrt kann das Publikum eine Hörreise verfolgen, die die Geschichte der Firma sowie die Gründe der Auflösung erläutert. Am Zielort angekommen (dieser variiert je nach Stadt/Startpunkt), nehmen die Zuschauer*innen aktiv an einem Auflösungsritual teil, der ehemalige Vorstand der GmbH wird enteidigt und in Feuer- und Wasserritual von Vergangenem gereinigt, bevor Möglichkeiten einer utopischen Zukunft untersucht werden.
Künstlerhaus / Nürnberg
Die Ausstellung bringt das Bild-, Video- und Ton-Material der vorhergehenden Veranstaltungen zusammen. Die Zuschauer*innen sind eingeladen, beide Handlungsstränge der Produktion – Theatergruppe und BRD GmbH – noch einmal nachzuvollziehen und sich ein eigenes Bild zu machen. Hintergründe und Recherche-Ergebnisse werden präsentiert und fiktiven Materialien zur Seite gestellt. Die Dramaturgie der Ausstellung fordert die Zuschauer*innen dazu auf, selbst zu erforschen, wie gut sie Realität und Fiktion voneinander unterscheiden können und wie weit sie sich auf Verschwörungstheorien einlassen. Besonders wichtig ist hier der letzte Teil, der die verschiedenen Handlungsstränge zu Ende erzählt und dabei besonders die Gefahren von Verschwörungstheorien fokussiert.
2018 / 2019
Noch vor Pandemie und Lockdowns untersuchte das Künstler*innen-Kollektiv in einer choreographischen Performance die Phänomene der Leere und der Langsamkeit. Eine leere Bühne, Hitze, Stroh und dann – in stiller Erwartung verharrend – ein Cowboy. Oder die Idee eines Cowboys, seine Essenz. Der Western verspricht stets das bessere Leben im Unbekannten. Nur wird dieses Versprechen nie eingelöst, der Western entwickelt sich nicht, er bietet keine Utopie, keine Lösungsvorschläge.
In einer choreographischen Performance nähern sich schmarrnintelligenz, die dem Cowboy an. Entlang eines minutiös komponierten Soundtracks arbeiten sich die Performer*innen durch eine Choreographie der Langsamkeit und sucht dabei Alternativen und Lösungsvorschläge, die vom üblichen Verlauf des Western-Films abweichen.
Bleiben am Ende des Abends nur Kartoffelecken, Bier und schlechte Cowboywitze und welche Funktion übernehmen diese, wenn die Leere nicht mehr auszuhalten ist?
2017 / 2018
Es geht um fremde Welten, parallele Universen, die Zukunft der Erde, Cyborgs, Aliens, Maschinen, die die Welt und den Menschen beherrschen, intergalaktische Kriege und totalitäre Systeme. Es geht um Science Fiction. Und die Frage, was das eigentlich mit uns zu tun hat? Der Blick in die Zukunft steht schon lange nicht mehr unter den Zeichen eines naiven Fortschrittsglaubens. In Zeiten von Trump, Erdogan und Putin fragt man sich, ob die Welt sich nicht eher rückwärts dreht? Wartet in der Zukunft nun doch George Orwells „1984“ auf uns? Mit Terrorismus und soft target attacks bricht die absolute Kontingenz in unseren Alltag ein. Nichts ist mehr sicher. Alles ist möglich. Wo bleibt da der Optimismus? „Auf zu fremden Welten“?
Mit viel Glanz und Glitzer reisen wir in die vielleicht gar nicht so ferne Zukunft. Oder feiern zumindest das Ende einer Welt, wie wir sie bisher kannten. Vielleicht, weil es Zeit wird, sie hinter uns zu lassen. Vielleicht, weil wird die Hoffnung auf eine bessere Zukunft noch nicht aufgeben wollen.
© Alle Rechte vorbehalten
Performance-/Theaterkollektiv